Veranstaltung: | Diskussion Bundestagswahlprogramm 2021 |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 21.03.2021, 17:40 |
A1NEU: Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Text
Klimaneutralität ist die große Chance für den Industriestandort Deutschland.
Grüne Technologien aus Deutschland werden weltweit nachgefragt. Beim
erneuerbaren Wasserstoff sind wir Europäer*innen noch führend. Für große Teile
der deutschen Industrie ist das Pariser Klimaabkommen fester Bestandteil der
Planungen geworden, unternehmerische Investitionsstrategien sind auf Klimaschutz
ausgerichtet. Die meisten wissen, dass die Märkte der Zukunft klimaneutral sind.
Und sie wissen: Deutschland kann so viel mehr. In den Unternehmen, den Köpfen
und den Strukturen stecken die Innovationskraft und der Wille, in die Zukunft zu
wirtschaften. Wir sehen, mit welcher Agilität Unternehmer*innen neue Ideen und
Geschäftsmodelle entwickeln. Und wir sind überzeugt, dass das freie und kreative
Handeln, die Dynamik eines fairen Wettbewerbs, die Stärke von gesellschaftlicher
Kooperation innovativ Probleme löst.
Allerdings steht die deutsche und europäische Wirtschaft unter großem Druck:
Unser Industrieland muss sich im globalen Wettbewerb mit autoritärem
Staatskapitalismus und weitgehend unregulierten Tech-Giganten behaupten. Die
Pandemie hat viele Wirtschaftszweige hart getroffen, einige Sektoren hatten
schon zuvor die Transformation verschlafen. Die Klimakrise und die Endlichkeit
von Ressourcen verlangen ein Umsteuern. Zugleich ist unser Verständnis von dem,
was Wohlstand ist, im Wandel. Menschen bezweifeln zunehmend, dass ein blindes
Wachstum, das zu großen sozialen und ökologischen Problemen führt, richtig ist.
Wenn wir es jetzt aber klug anstellen, können wir unser Wirtschafts- und
Finanzsystem neu eichen. Wir können eine sozial-ökologische Marktwirtschaft in
Europa begründen, die Wohlstand und Wachstum mit Nachhaltigkeit und
Gerechtigkeit versöhnt und den Menschen dient. Sie ist Ausgangspunkt für eine
neue wirtschaftliche Dynamik, die zukunftsfähige Jobs schafft, Lebensqualität
sichert und uns Menschen freie Entfaltung ermöglicht und einen klimagerechten
Wohlstand schaffen kann.
Dafür ist eine Politik nötig, die will, die nach vorne führt und verlässlich
steuert. Nicht, weil der Staat besser wirtschaften kann, sondern weil die
Wirtschaft klare Verhältnisse, verlässliche politische Rahmenbedingungen und
Anreize braucht. Nur dann haben Unternehmen Planungssicherheit und wissen, dass
sich klimaneutrales, nachhaltiges Wirtschaften lohnt. Ungeregelte Märkte können
sehr viel zerstören. Wenn wir Märkte aber nachhaltig und sozial gestalten,
können sie mit ihrer Wucht Innovationen entfachen, die wir für die
Transformation brauchen. Damit das gelingt, stellen wir die Weichen konsequent
auf Klimaneutralität und ermöglichen der Wirtschaft neue Spielräume innerhalb
der planetaren Grenzen. Wir schaffen Anreize, streichen umweltschädliche
Subventionen und setzen ordnungspolitische Regeln, um nachhaltig zu produzieren,
zu handeln und zu konsumieren. Wir geben dem Wachstum eine Richtung und bemessen
Wohlstand neu. Wir starten eine umfassende Investitionsoffensive, öffentlich wie
privat, um dem immensen Investitionsstau in unserem Land zu begegnen und
Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung deutlich zu stärken. Dafür setzen wir
auf eine vorsorgende Haushaltspolitik.
Wir gehen die Ungerechtigkeiten im Steuersystem entschlossen an und sorgen
dafür, dass sich sehr wohlhabende und reiche Menschen und große Konzerne ihrer
Verantwortung stärker stellen. Globale Konzerne sollen nicht mächtiger sein als
Staaten – es gilt das Primat der demokratischen Politik zu behaupten. Hohe
Einkommen und Vermögen sollen mehr zur Finanzierung unseres Gemeinwesens
beitragen, denn Gesellschaften, in denen die Ungleichheit gering ist, sind
zufriedenere Gesellschaften.
Wirtschafts- und Finanzpolitik muss europäisch gemacht werden. Als
Europäer*innen können wir mit unserem starken gemeinsamen Binnenmarkt
internationale Standards setzen und Innovationen vorantreiben. Solange es
Wettbewerbsverzerrung gibt, braucht es auch den Schutz des europäischen Marktes
und vor allem der kritischen Infrastruktur. Zugleich setzen wir uns für eine
gemeinsame strategische Außenwirtschaftspolitik ein, die Fairness zu einem Gebot
des internationalen Wettbewerbs und des freien Welthandels macht und weltweit
nachhaltiges Wirtschaften befördert. Als Europäer*innen investieren wir
gemeinsam in Klimaschutz, Forschung und den Wohlstand der Zukunft, den Weg dahin
bereit ein Green New Deal. In einer
Bundesregierung werden wir alles dafür tun, dass die Europäische Union der erste
CO2-freie Wirtschaftsraum wird.
Mit all diesem legen wir die Grundlagen dafür, dass Deutschland und Europa
erfolgreiche Industriestandorte mit hoher Wertschöpfung, starkem Sozialstaat und
guten Arbeitsplätzen bleiben. Dafür, dass notwendige Innovationen in Europa
entwickelt und marktfähig werden, dass zukunftsfähige neue Jobs im Handwerk, bei
Start-ups und in der Dienstleistungsbranche entstehen – in traditionsreichen und
innovativen Industrieunternehmen, im Maschinenbau, in kleinen und
mittelständischen Betrieben. Wir wollen, dass Deutschland und Europa auch bei
neuen Technologien die Spitze beanspruchen – seien es E-Autos, saubere
Batterien, Quantencomputer, Künstliche Intelligenz oder moderne Biotechnologie.
Mit einer aktiven Wirtschafts- und Industriepolitik zeigen wir eine Richtung auf
und bieten zukunftsfähigen Unternehmen gute Bedingungen. So machen wir aus der
Marke „Made in Germany“ ein Gütesiegel für zukunftsfähige Industrie in einem
klimaneutralen Europa.
Wir fördern Unternehmergeist, Wettbewerb und
Ideen
Ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen
Nach der Corona-Pandemie braucht unser Land einen neuen wirtschaftlichen
Aufbruch. Das Beste, was die Politik dazu beitragen kann, ist, das zu tun, was
sie die letzten zehn Jahre sträflich versäumt hat: in unsere gemeinsame Zukunft
zu investieren. Nur wenn auch der Staat seinen Teil beiträgt, wenn öffentliche
und private Investitionen gemeinsam auf ein Ziel ausgerichtet werden, wird
Europa den Anschluss an moderne Zukunftstechnologien halten und sich im
Wettbewerb mit den USA und China behaupten können. Wir starten in der nächsten
Legislaturperiode eine Investitionsoffensive. In schnelles Internet, überall. In
Spitzenforschung vom Quantencomputer bis zur modernsten Biotechnologie. In
klimaneutrale Infrastrukturen, in Ladesäulen, einen Ausbau der Bahn,
emissionsfreie Busse und moderne Stadtentwicklung. Wir wollen, dass Deutschland
bei den öffentlichen Investitionen im Vergleich der Industrieländer vom
Nachzügler zum Spitzenreiter wird, und in diesem Jahrzehnt pro Jahr 50
Milliarden Euro zusätzlich investieren. So gelingt die sozial-ökologische
Transformation, so schaffen wir nachhaltigen Wohlstand und sichern die
Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes in einer handlungsfähigen Europäischen
Union.
Neustart nach der Corona-Krise
Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen hart getroffen. Während die einen sich
hoch verschulden mussten, haben es andere nicht durch die Krise geschafft und
mussten ihr Geschäft aufgeben. Besonders hart hat es Restaurants, Hotels, die
Tourismus- und Veranstaltungsbranche, die Kulturwirtschaft, aber auch viele
Einzelhändler*innen getroffen. Ein Neustart nach der Corona-Krise muss daher
gezielt den besonders betroffenen Branchen helfen. Damit sichern wir Existenzen,
erhalten Arbeitsplätze und setzen zielgenaue konjunkturelle Impulse. Hierfür
dehnen wir den steuerlichen Verlustrücktrag aus, führen attraktive und zeitlich
begrenzte Abschreibungsbedingungen ein und helfen kleinen und mittleren
Unternehmen, sich mit vereinfachten Restrukturierungsverfahren leichter neu
aufzustellen, ohne Insolvenz anmelden zu müssen. Falls Corona-Soforthilfen
zurückgezahlt werden müssen, benötigen die Unternehmen großzügige Stundungen.
Für Selbständige braucht es vor allem sichere Aufträge durch handlungsfähige
Kommunen, die wir unter anderem durch eine abgestimmte Kulturförderpolitik
stärken wollen.
Klimaschutztechnologien made in Germany
Der globale Wettbewerb um die Technologien von morgen ist in vollem Gange. Made
in Germany soll zukünftig nicht nur für Qualität, sondern noch stärker für
nachhaltige und innovative Produkte und Prozesse stehen. Digitalisierung und
Klimaneutralität müssen Staat und Unternehmen gemeinsam in Angriff nehmen.
Während der Staat mehr öffentliche Investitionen realisiert, wollen wir zugleich
Anreize für mehr Investitionen durch Unternehmen setzen. Dafür erweitern wir
zielgerichtet die Spielräume für die Unternehmen: Investitionen sollenzeitlich
befristet degressiv mit mindestens 25 Prozent abgeschrieben werden können. Die
steuerliche Förderung von Forschung für KMU erhöhen wir. Öffentliche
Investitionszuschüsse sollen gerade bei neuen Technologien eine Starthilfe
geben; Klimaverträge helfen, dauerhafte
Planungssicherheit für langfristige Klimaschutzinvestitionen zu geben.
Ein Gründungskapital einführen
Um den Wohlstand von morgen zu sichern, brauchen wir eine neue
Gründer*innenwelle. Mit einem unbürokratischen Gründungskapital, das
Gründer*innen einen Einmalbetrag bis maximal 25.000 Euro sicherstellt, wollen
wir dafür sorgen, dass keine gute Idee an zu wenig Eigenkapital scheitert.
Gründer*innen sollen es leicht haben: Statt sich durch ein Verwaltungsdickicht
zu quälen, sollen sie Information, Beratung und Anmeldung in einer zentralen
Anlaufstelle erledigen können – überall in Deutschland. In den ersten zwei
Jahren sollen sie weitgehend von Melde- und Berichtspflichten befreit werden.
Frauen sind bei Gründungen noch unterrepräsentiert, sie wollen wir gezielt
fördern mit einem staatlichen Wagniskapitalfonds nur für Frauen. Hürden sollten
auch für Menschen mit Migrationsgeschichte abgebaut werden, hier lässt unser
Land ein riesiges Potenzial brachliegen. Bei der öffentlichen Vergabe beziehen
wir Start-ups besser ein und vereinfachen dafür Vergabeverfahren und Regeln zur
Eignungsprüfung. Gerade bei ausbleibender Finanzierung wollen wir die
gemeinwohlorientierte Entwicklung von digitalen Lösungen fördern.
Fairer Wettbewerb um klimaneutrale Industrietechnologien
Die energieintensiven Industrien – Stahl, Zement, Chemie – stehen für 15 Prozent
des
deutschen CO2-Ausstoßes. Zugleich bieten sie hunderttausende gute Arbeitsplätze
und sind ebenso Eckpfeiler unseres Wohlstandes. Wir wollen diese Industrien zum
Technologievorreiter bei der Entwicklung klimaneutraler Prozesse machen. Der
Maschinenbau kann beim weltweiten Einsatz grüner Technologien „made in Germany“
eine Schlüsselrolle einnehmen. So bekämpfen wir die Klimakrise und tragen zur
Sicherung des deutschen Industriestandorts bei. Mit Investitionszuschüssen und
einer degressiven Abschreibung fördern wir direkt die Transformation. Mit dem
Abbau von Hürden bei der grünen Eigenstromversorgung treiben wir die
Dekarbonisierung der Prozesse voran. Klimaverträge (Carbon Contract for
Difference), die die Differenz zwischen dem aktuellen CO2-Preis und den
tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten erstatten, sorgen für
Investitionssicherheit. Und mit Quoten für den Anteil CO2-neutraler Grundstoffe
schaffen wir Leitmärkte für CO2-freie Produkte. In der Chemieindustrie wollen
wir die Transformation weg von Öl und Plastik hin zu nachwachsenden Rohstoffen
voranbringen.
Automobilindustrie im Aufbruch
Die Automobilindustrie steht vor gewaltigen Umbrüchen. Weltweit läuft der
Wettbewerb um das emissionsfreie und digitale Auto der Zukunft. Nach Jahren des
Stillstands hat sich auch die Branche in Deutschland endlich auf den Weg
gemacht. Jetzt braucht es Entschlossenheit und Zusammenarbeit, damit unsere
Autobauer in Zukunft wieder die Nase vorn haben. Klar ist: Der fossile
Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Wir wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie
Autos neu zulassen. Wir unterstützen bei Forschung und Innovation und sichern
einen schnellen Aufbau der Ladesäuleninfrastruktur und eine weitere Förderung
des Markthochlaufs von emissionsfreien Fahrzeugen zu. Aktuell haben Deutschland
und Europa den Anschluss bei der Batteriezellenproduktion und damit viel
Wertschöpfung verloren. Das darf sich bei den Batterien der nächsten Generation,
die günstiger und ressourcensparender sind, nicht wiederholen. Wir wollen Europa
zum Weltmarktführer einer ökologischen Batteriezellenproduktion machen, zu der
ein wirksames Recyclingsystem gehört sowie die Forschung und Entwicklung der
nächsten Batteriegeneration. Dazu setzen wir auf klare Vorgaben bei den
Ökostandards und ein umfassendes Forschungs- und Förderprogramm. Wir wollen
zudem die besonders betroffenen Autoregionen mit regionalen
Transformationsdialogen und -fonds unterstützen.
Europäische Halbleiterindustrie stärken
Eine erfolgreiche und weitsichtige Industriepolitik wird nur dann funktionieren,
wenn auch gesamteuropäisch gedacht wird. Gerade mit Blick auf eine nötige
sektorale Strukturförderung, wie den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, der
Batteriezellfertigung oder Förderung der Halbleiterindustrie, ist eine
europäische Ausrichtung entscheidend. Um kritische Abhängigkeiten zu verringern,
soll die EU-Kapazität im Bereich der Halbleitertechnologie wie von der EU-
Kommission vorgeschlagen auf 20 Prozent der weltweiten Produktion ausgebaut
werden. Das gilt vor allem für die Bereiche, in denen wir bei der
Halbleitertechnologie für
industrielle Anwendungen bereits eine starke europäische Stellung haben oder in
denen eine besonders dynamische zukünftige Entwicklung zu erwarten ist. Hierzu
müssen Investitionen entlang der Halbleiter-Wertschöpfungskette erhöht werden.
Kreislaufwirtschaft mit einer Reparatur- und
Recyclingindustrie
Müll ist ein Designfehler und eine Verschwendung wichtiger Ressourcen und
Rohstoffe – die endlich sind und uns abhängig machen. Ob Verpackung, Auto oder
Laptop – wir schaffen die gesetzlichen Grundlagen dafür, um alle Produkte lange
zu verwenden, reparieren und recyceln zu können. Im Ergebnis heißt das bis 2050:
kein Müll mehr, dafür mehr grüne Jobs vor Ort in einer neuen europäischen
Reparatur- und Recyclingindustrie, die die Abhängigkeit von Ressourcen und
Rohstoffimporten verringert. Den Weg dorthin weisen wir mit stärkeren
Herstellerverpflichtungen, ambitionierten Recyclingquoten und gezielten
Förderprogrammen. Bis 2030 werden wir alle Güter und Materialien, die auf den
Markt kommen, mit einem digitalen Produktpass ausstatten, der alle wichtigen
Informationen über Design, Reparierbarkeit und Materialien enthält, die wir für
die Kreislaufwirtschaft brauchen.
Forschungsergebnisse in die Praxis bringen, Gründungskultur
beleben
An unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen wird nach höchsten Standards
geforscht. Vielversprechende Forschungsergebnisse – gerade auch aus der
Grundlagenforschung – müssen aber noch öfter in die Praxis gelangen. Die
Impfstofferfolge machen dabei Mut: Aus einer Zufallsentdeckung wurde eine völlig
neue Technologie, die in Rekordzeit die Entwicklung und Produktion gleich
mehrerer Corona-Impfstoffe ermöglicht hat. Vielfach mangelt es in der deutschen
Wissenschaft an einer lebendigen Gründungskultur, strukturelle Hemmnisse
verhindern Ausgründungen. Die bestehenden Förderprogramme reichen nicht aus. Wir
wollen den
Ausbau von Förderprogrammen für Hightech-Start-ups, Gründungszentren und
Entrepreneurship-Ausbildungen vorantreiben. Statt unattraktiver Lizenzregelungen
wollen wir die stille Beteiligung der öffentlichen Institutionen zum neuen
Ausgründungsstandard machen.
Frauen an die Spitze
Deutschland ist vielfältig, seine Führungsetagen sind es (noch) nicht. Dabei
führen diverse Teams Unternehmen erfolgreicher. Die Vielfalt der deutschen
Gesellschaft muss sich deshalb auch dringend in den Führungs- und
Entscheidungsgremien und der Wirtschaft abbilden. Obwohl Frauen mindestens
gleich gut qualifiziert sind wie Männer, fehlen sie dort. Freiwillige Regelungen
haben nichts gebracht. Deshalb soll zukünftig mindestens ein Drittel der
Vorstandssitze größerer und börsennotierter Unternehmen bei einer Neubesetzung
an eine Frau gehen. Um das zu erleichtern, wollen wir auch Hindernisse wie
fehlende Elternzeitregelungen im Aktienrecht beseitigen. Die Aufsichtsräte
dieser Unternehmen sollen bei Neubesetzungen einen Frauenanteil von 40 Prozent
anstreben. Unternehmen, die in der Hand des Bundes sind oder an denen der Bund
beteiligt ist, sollen mit klaren Plänen für paritätische Betriebsstrukturen als
gutes Beispiel vorangehen.Die Wirtschaftsförderung wollen wir
geschlechtergerechter ausgestalten und Frauen dort, wo sie unterrepräsentiert
sind, mit gezielten Maßnahmen fördern, zum Beispiel durch einen staatlichen
Wagniskapitalfonds nur für Gründerinnen.
Fachkräftemangel bekämpfen
Durch den demografischen Wandel wird in den kommenden 15 Jahren die Zahl der
Menschen im erwerbsfähigen Alter um 6 Millionen schrumpfen. Gleichzeitig
erfordern die Berufe der Zukunft ganz neue Fähigkeiten. Der Arbeits- und
Fachkräftemangel wird sich verstärken. Dem wollen wir entgegenwirken. Dafür
investieren wir mehr in berufliche und berufsbegleitende Bildung. Der
Meisterbrief soll wie ein Studium kostenfrei werden. Wir lassen keine Potenziale
mehr ungenutzt: Hürden, die Frauen, Älteren, Menschen mit Behinderungen,
Jugendlichen aus einkommensarmen Elternhäusern oder Menschen mit
Migrationsgeschichte oft noch im Weg stehen, bauen wir ab. Einwanderung in unser
Land erleichtern wir mit der Einführung einer Talentkarte und einer schnelleren
Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse, auch wechselseitig in
der EU. Geflüchtete sollen die Möglichkeit zum Spurwechsel bekommen, der ihnen
während Ausbildung, Studium und Arbeit mehr Rechtssicherheit
und damit eine berufliche Perspektive in Deutschland ermöglicht. Wir
unterstützen Betriebe, die Geflüchteten und Einwander*innen eine Chance auf
Ausbildung und Beschäftigung geben, bei Bedarf durch Qualifizierung, Beratung
und Begleitung.
Mittelstandspolitik ist Innovationspolitik
Der deutsche Mittelstand ist vielfältig, innovativ und international
wettbewerbsfähig. Hier entstehen die Lösungen für die Herausforderungen der
Zukunft, er sichert Wertschöpfung in den Regionen und für sie. Unsere
Mittelstandspolitik setzt auf den Dreiklang aus Verringerung bürokratischer
Lasten, einer innovationsfreundlichen Steuerpolitik sowie einer breitenwirksamen
Forschungslandschaft. Mit schnelleren Planungen und Genehmigungen und einer
effizienten, digitalen Verwaltung unterstützen wir den Mittelstand bei
Innovation und Transformation. Berichtspflichten sollen vereinfacht werden.
Dafür sollten Vorhaben ausgetestet und mit Anwender*innen aus Verwaltung und
Unternehmen aller Größen gemeinsam verbessert werden. Dafür ist die konsequente
Anwendung und Verbesserung sogenannter KMU-Tests auf nationaler und europäischer
Ebene erforderlich. Förderprogramme und Investitionszuschüsse wollen wir so
ausgestalten, dass sie vor allem KMU zugutekommen. Dafür sollen sie deutlich
einfacher zu beantragen und zu dokumentieren sein. Außerdem sollen passgenaue
Beratungen für Digitalisierung und Klimaschutz gefördert werden, auch über
längere Zeiträume.
Zukunftsfähigkeit eines starken Handwerks sichern
Das Handwerk ist in unserem Alltag überall präsent und unverzichtbar. Es
zeichnet sich durch eine große Heterogenität aus: vom
Heizungsinstallateurbetrieb bis zur Bäckerei, vom mittelständischen Unternehmen
mit hunderten Beschäftigten bis zum Kleinstbetrieb. Das Handwerk ist einer der
wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. Es bietet gerade im ländlichen
Raum jungen Menschen eine Perspektive. Gerade für sie liegen in der ökologischen
Transformation riesige Chancen – von der Gebäudesanierung bis zum
Heizungstausch. Durch die Senkung der EEG-Umlage sorgen wir für bezahlbare
Strompreise. Durch Bürokratieabbau, die Unterstützung bei Nachfolgen und die
gezielte Förderung der Ausbildung im Handwerk wollen wir die Rahmenbedingungen
verbessern. Oberstes Ziel ist der Erhalt und die Zukunftsfähigkeit
der Betriebe. Damit Handwerksberufe noch attraktiver werden, setzen wir auf eine
stärkere Tarifbindung, branchenspezifische Mindestvergütungen und mehr
Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung. Die
Durchlässigkeit vom Studium zum Handwerk und zurück sollte selbstverständlich
werden, genauso wie internationaler Austausch und Zugang zu Stipendien.
Kultur schafft Wohlstand
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine der am meisten unterschätzten
Branchen in
Deutschland. Vor Corona erzielten die über 1,2 Millionen Kreativen und
Kulturschaffenden allein im Jahr 2019 einen Umsatz von knapp 180 Milliarden Euro
– mehr als beispielsweise die chemische Industrie oder Finanzdienstleister. Doch
die Kultur- und Kreativwirtschaft ist durch die Corona-Krise existenziell
bedroht. Nur mit gezieltem Schutz und verbesserter Förderung werden wir große
Teile unseres kulturellen Lebens vor dem Wegbrechen retten können. Wir erweitern
den Innovationsbegriff in den Programmen zur Existenzgründungsförderung, sodass
davon auch die Kultur- und Kreativwirtschaft profitiert. Förderprogramme
schneiden wir spezifisch auf die Bedürfnisse der Kultur- und Kreativwirtschaft
zu und wir bauen die Gründungsförderung aus der Arbeitslosigkeit bedarfsgerecht
aus.
Der Tourismuswirtschaft nachhaltig auf die Beine helfen
Die Reise- und Tourismuswirtschaft – ein zentraler Wirtschaftsfaktor und
millionenfacher Arbeitgeber – ist durch die Corona-Krise schwer getroffen. Wir
wollen ihr wieder auf die Beine helfen und zugleich den Nach-Corona-Tourismus
klimaschonender, ökologischer und sozial nachhaltiger gestalten. Ein
ökologischer und sozial blinder Massentourismus mit klimaschädlichen
Kreuzfahrtschiffen, endloser Müllproduktion und riesigem Ressourcenverbrauch hat
keine Zukunft. In einem nachhaltigen Tourismus liegen hingegen riesige Chancen.
Nachhaltigen oder sanften Tourismus wollen wir gerade in ländlichen Regionen
gezielt entwickeln, zum Beispiel durch den Ausbau touristischer Rad- und
Wasserwege. Mit einem Jedermannsrecht in öffentlichen Gebieten, wie in
Skandinavien üblich, wollen wir Natur für alle erlebbar machen. Die Bahn soll
zum Tourismus-Reisemittel Nr. 1 werden – durch ein europäisches Nachtzugnetz und
die gezielte Anbindung touristischer Regionen an das Bahnnetz. So kann der
Tourismus dabei mithelfen, eine Welt zu erhalten, die
es sich auch in Zukunft noch zu bereisen lohnt.
Wir geben dem Markt einen sozial-ökologischen
Rahmen
Wohlstand neu bemessen
Wohlstand definiert sich nicht allein durch Wachstum des BIP, sondern lässt sich
viel breiter als Lebensqualität verstehen. Wir wollen den wirtschaftlichen
Erfolg Deutschlands und der Unternehmen nicht nur an Wachstum und Rendite,
sondern auch anhand sozialer, ökologischer und gesellschaftlicher Kriterien
messen und die Wirtschaftsförderung entsprechend ausrichten. Dafür soll in
Zukunft neben dem Jahreswirtschaftsbericht ein Jahreswohlstandsbericht
veröffentlicht werden. Dieser berücksichtigt dann zum Beispiel auch den Beitrag
des Naturschutzes, einer gerechten Einkommensverteilung oder auch guter Bildung
zum Wohlstand unserer Gesellschaft.
Den europäischen Green Deal ambitioniert gestalten
Mit dem Europäischen Green Deal hat die EU-Kommission ein Programm vorgelegt, um
die
Europäische Union zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Es umfasst
Gesetzesvorschläge in den Bereichen Klima- und Umweltschutz sowie für eine
gestärkte
Wettbewerbsfähigkeit, Energiesicherheit und Innovationsdynamik einer
dekarbonisierten europäischen Wirtschaft. Wir setzen uns für eine ambitionierte
Ausgestaltung und eine ehrgeizige Umsetzung auf allen Ebenen ein. Wir machen
weiter Druck, damit die ökologische Wende dazu beiträgt, Ungleichheit zu
verringern. In der Landwirtschaftspolitik kämpfen wir dafür, dass die Reform der
Gemeinsamen Agrarpolitik und ihre Umsetzung unter die Ziele des Green Deal
gestellt werden, da sie immense Auswirkungen auf Umwelt- und Artenschutz
entfalten. In der Handelspolitik wollen wir Umwelt- und Sozialkapitel von
zukünftigen Handelsverträgen rechtsverbindlich und sanktionierbar machen.
Die Macht des europäischen Binnenmarkts für die
Transformation nutzen
Der europäische Binnenmarkt ist eine Erfolgsgeschichte, die gerade im globalen
Wettbewerb auf seinen hohen Standards beruht: im Verbraucher- und Datenschutz,
im Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie für die soziale und Produktsicherheit.
Diese hohen Standards wollen wir im Sinne einer sozial-ökologischen
Transformation des Binnenmarkts erhalten und ausbauen, denn sie stärken die
Innovationskraft der Unternehmen, ermöglichen die Ausnutzung von Skaleneffekten
und begünstigen den internationalen Handel. Um die Digitalisierung zu gestalten,
müssen wir Dienstleistungen von Plattformen und ihre Marktmacht regulieren. Die
globale Lenkungswirkung des Binnenmarkts wollen wir steigern, indem wir
sicherstellen, dass
Unternehmen auf dem europäischen Markt auch international Verantwortung für ihre
Produktions- und Vertriebsweise entlang der gesamten Wertschöpfungskette
übernehmen. Die Handlungsspielräume von Kommunen in Europa wollen wir erhalten
und die Daseinsvorsorge vor Liberalisierungsdruck schützen.
Sozialunternehmen und Genossenschaften stärken
Wir wollen die Bereiche der Wirtschaft stärken, in denen langfristige
Nachhaltigkeit mehr zählt als kurzfristige Rendite. Wir unterstützen
insbesondere Genossenschaften und Sozialunternehmen, weil sie gesellschaftliche
Anliegen mit unternehmerischem Handeln verbinden. Dafür schaffen wir
zielgruppenspezifische Finanzierungsinstrumente und wollen die Programme der
klassischen Gründungs- und Innovationsfinanzierung ausweiten. Unser Ziel ist
eine Gründungswelle neuer Genossenschaften und von sozial-ökologisch
inspirierten Unternehmen. Dazu werden wir die Rahmenbedingungen für ihr
Wirtschaften systematisch verbessern und bestehende Benachteiligungen
beseitigen. Den Gründungszuschuss der Arbeitsagenturen wollen wir nicht allein
vom wirtschaftlichen Gewinn, sondern auch von Erfolgskriterien von Social Start-
ups abhängig machen. Nicht genutzte Guthaben auf verwaisten Konten wollen wir –
sofern keine Erbansprüche vorhanden sind – für einen Fonds nutzen, der
zielgerichtet in nachhaltige und soziale Innovationen investiert.
Verantwortungseigentum stärken
Wir setzen uns für die Einführung einer Unternehmensform für
Verantwortungseigentum ein. Immer mehr Unternehmer*innen verstehen ihr
Unternehmen nicht als individuell konsumierbares Vermögen. Sie wollen, dass der
Zweck ihres Unternehmens nicht dem kurzfristigen Shareholder-Value dient,
sondern langfristig dem Sinn und Zweck des Unternehmens. Dafür brauchen sie eine
Rechtsform, die eine hundertprozentige Vermögensbindung an das Unternehmen
ermöglicht und ansonsten die Flexibilität der GmbH beibehält. Gewinne werden
reinvestiert oder gespendet. Die Stimmrechte so einer „Gesellschaft mit
gebundenem Vermögen“ können von den Beschäftigten im Kollektiv oder von
Einzelnen treuhänderisch gehalten werden – sie werden nicht meistbietend
verkauft, sondern, ähnlich wie in anwaltlichen Partnerschaften, immer an aktiv
mit dem Unternehmen verbundene Personen weitergegeben. Wir bringen die
Digitalisierung voran.
Eine europäische Cloud-Infrastruktur
Daten sind die Schlüsselressource der digitalen Welt, insbesondere für
Technologien wie die Künstliche Intelligenz. Gerade im industriellen Bereich
wollen wir neue Ansätze schaffen, um eine gemeinsame, freiwillige Nutzung nicht
personenbezogener Daten zum Beispiel aus Entwicklungs- und Fertigungsprozessen
zu verbessern und rechtssicher zu gestalten. Davon profitiert vor allem der
Mittelstand. Hierfür braucht es klare gesetzliche Spielregeln für kooperative
und dezentrale Datenpools und Datentreuhandmodelle, die eine gemeinsame und
durch Kartellbehörden überprüfbare Nutzung dieser Daten ermöglichen. Wir wollen
eigene europäische Standards und Regeln setzen. Die eigene kritische
Infrastruktur wollen wir schützen und eine gemeinsame europäische Cloud-
Infrastruktur verwirklichen.
Hightech-Standort ausbauen
Die rasante Entwicklung des Corona-Impfstoffs von Wissenschaftler*innen und
Unternehmer*innen aus Mainz hat gezeigt, welche Innovationskraft in unserer
Forschungs- und Unternehmenslandschaft steckt. Eine Innovationskraft, die der
Staat mit Tempo und entschlossenen Investitionen unterstützen muss. Vor allem
die Bereiche Künstliche Intelligenz (KI), Quantencomputing-, IT-Sicherheits-,
Kommunikations- und Biotechnologie oder auch die weitere Entwicklung von
ökologischen Batteriezellen wollen wir besonders fördern, damit wir unsere
technologische Souveränität sichern können und in der weltweiten Konkurrenz
vorne mitspielen. Dabei legen wir einen besonderen Fokus darauf, die
ökologischen und sozialen Potenziale der Technologien zu heben. So verbessern
Innovationen die Lebensbedingungen der Menschheit und sichern den Wohlstand von
morgen. Um im internationalen Standort-Wettbewerb mithalten zu können, bedarf es
einer starken europäischen Vernetzung von
Spitzenforschung. Wir investieren in Spitzenforschung und die Bildung von
Clustern in diesen Bereichen. Den Hightech-Standort auszubauen, heißt aber auch,
die dringend benötigten Talente anzuziehen. In der Forschung bedeutet das, für
Spitzenwissenschaftler*innen auch Spitzengehälter zu zahlen.
Start-up-Wagniskapital eine Richtung geben
Wir müssen nicht nur technologisch exzellent sein, sondern bahnbrechende
Technologien auch in neue Geschäftsmodelle, Märkte, Dienstleistungen und
Produkte umwandeln können. Fördermöglichkeiten und Netzwerke für Start-ups und
junge Unternehmen auf nationaler und europäischer Ebene können den Unterschied
zwischen einer guten Idee auf dem Flipchart und einem weltweit erfolgreichen
Unternehmen ausmachen. Ein staatlicher Wagniskapitalfonds kann helfen, unseren
Gründer*innen dauerhaft eine Heimat zu geben. Wir fordern, noch mehr und noch
schneller zu investieren. Es geht aber auch darum, Kapital eine Richtung zu
geben. Der
Zukunftsfonds muss mehr nachhaltige Leuchtturm-Projekte finanzieren, dabei
insbesondere in Bereiche wie Greentech, Künstliche Intelligenz, nachhaltige
Mobilität oder Life-Sciences, deren hochkomplexe Geschäftsmodelle keine einfache
Finanzierung am Markt bekommen.
Internetgiganten regulieren
Wir setzen uns für einen funktionierenden und fairen Wettbewerb auf digitalen
Märkten ein. Durch übermäßige Marktmacht einzelner Internetgiganten wird dieser
eingeschränkt oder gar aufgehoben. Relevante Erwerbsvorgänge von Tech-Konzernen
sollten durch das Bundeskartellamt geprüft werden, um den strategischen Aufkauf
von aufkeimender Konkurrenz („Killer Acquisitions“) zu verhindern. Dabei sollten
Datenschutzbehörden eine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die
Interoperabilität ihrer digitalen Dienste sowie Datenportabilität sind wo immer
möglich von bereits marktbeherrschenden Unternehmen verpflichtend zu
gewährleisten. Unter dem Dach eines eigenständigen europäischen Kartellamts
wollen wir deshalb eine europäische Digitalaufsicht etablieren, die als
Frühwarnsystem fungiert und sanktionsbewährte Kooperations- sowie
Transparenzpflichten aussprechen kann.
Unternehmen sollen auch unabhängig von einem Missbrauch aufgespalten werden
können, wenn ihre Marktmacht zu groß wird.
Mehr Frauen in der Digitalwirtschaft
Alle sollen an der Gestaltung der digitalen Transformation beteiligt sein und
ihre
Potenziale einbringen können. Deshalb werden wir eine Strategie „Frauen in der
Digitalisierung“ vorlegen und umsetzen. Mädchen sollen schon in der Grundschule
für
Digitalthemen begeistert werden und ohne Technikgenderstereotype aufwachsen. Wir
brauchen an den Hochschulen eine geschlechtersensible Lehre, die gezielte
Ansprache von Frauen für Informatikstudiengänge sowie mehr Frauen in den
Hochschulgremien, wo diese Richtungsentscheidungen getroffen werden. In der
Digitalbranche ist ein Kulturwandel erforderlich, auch um unser volles
Innovationspotenzial auszuschöpfen. Freiwillige und verpflichtende Maßnahmen für
die Unternehmen sind notwendig, um diskriminierungsfreie Arbeitsplätze und einen
gleichberechtigten Zugang zu Gestaltungspositionen in der digitalen
Transformation zu ermöglichen. Für staatliche Institutionen soll Diversität ein
Leitprinzip für alle Digitalstrategien sein.
Transparente Algorithmen
Datenverarbeitende und selbstlernende Systeme haben das Potenzial, neues Wissen
zu
generieren und so nachhaltigeres Handeln zu ermöglichen. Autonom entscheidende
Systeme sind nicht neutral. Sie beruhen auf Daten und damit auch auf Werten und
Vorurteilen aus der analogen Welt. Wir wollen daher Transparenz, Überprüfbarkeit
und Grenzen, damit algorithmische Entscheidungssysteme nicht diskriminierend
wirken. Wir schaffen einen nach Risiken abgestuften Ordnungsrahmen für den
Einsatz automatischer Systeme, klare Regeln zur Nachvollziehbarkeit, zum
Datenschutz und zur Datenqualität, um Kontrolle und Haftung zu ermöglichen. Das
bedeutet auch eine Modernisierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
sowie strenge Kriterien für den Einsatz von algorithmischen und automatischen
Entscheidungen, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung. Auch
Plattformanbieter müssen ihre automatisierten Entscheidungen, Vergleiche oder
Preise transparent machen und erklären
können.
IT-Sicherheit als Standortfaktor
Gute IT-Sicherheit und klare rechtsstaatliche Standards sichern Grundrechte und
sind die Voraussetzung, damit der digitale Wandel gelingt. Der Staat bleibt in
der Pflicht, diese zu gewähren. Gute IT-Sicherheit ist längst auch ein wichtiger
Standortfaktor. Wer digital souverän sein will, muss entsprechend handeln und
darf die Sicherheit aller nicht unterlaufen. Wir setzen Anreize für beste IT-
Sicherheit durch unabhängige Auditierungen und Zertifizierungen und wollen vor
allem die KMUs sehr viel stärker durch ein dezentrales und unabhängiges IT-
Beratungsnetzwerk unterstützen. Wir stärken unabhängige Aufsichtsstrukturen und
schaffen neue Sanktionsmechanismen. Die IT-Sicherheit gefährdende Maßnahmen, wie
den Handel und das staatliche Offenhalten von Sicherheitslücken, wollen wir
beenden und eine
Meldepflicht schaffen.
Wir kämpfen für einen fairen und nachhaltigen
Handel
Neustart für gute Handelsverträge
Handel ist eine wichtige Grundlage unseres Wohlstandes: Fairer Handel trägt zur
Vertiefung internationaler Partnerschaften und damit auch zu einer sicheren Welt
bei. Gerade in Zeiten, die zunehmend unter den Vorzeichen eines
Systemwettbewerbs zwischen demokratischen Staaten und China stehen, setzten wir
auf eine proaktive Handelspolitik. Wir wollen einen multilateralen Welthandel
und Handelsabkommen, die dem Wohlstand aller Menschen dienen, die Umwelt- und
Klimaschutz einfordern und die Beziehungen mit unseren Partnern im Einsatz für
Demokratie und Freiheit stärken. Eine Zersplitterung von Handelsbeziehungen
erschwert ein internationales Miteinander. Die Chance, mit der neuen US-
Administration die Handelskonflikte beizulegen und einen transatlantischen Markt
für klimaneutrale Produkte zu
schaffen, wollen wir ergreifen. Umweltschädliche Abkommen wie das EU-Mercosur-
Abkommen mit lateinamerikanischen Staaten lehnen wir ab. Europa kann aufgrund
des großen gemeinsamen Binnenmarktes selbstbewusst in Handelsverhandlungen
gehen. Europäische Handelsverträge müssen verbindliche und durchsetzbare Umwelt-
und Sozialstandards enthalten. Dazu zählt, das Pariser Klimaschutzabkommen sowie
ILO-Kernarbeitsnormen zur Bedingung und einklagbar zu machen. Handelsabkommen
sollten nicht nur Rechte für Unternehmen, sondern auch ihre Pflichten regeln.
Deshalb setzen wir uns für einen multilateralen Handelsgerichtshof bei den
Vereinten Nationen ein, der beides abdeckt. Internationale Konzerne dürfen durch
Handels- und Investitionsklagen nicht noch mächtiger werden, daher lehnen wir
Klageprivilegien für ausländische Investoren ab. Die EU sollte aus dem
vollkommen aus der Zeit gefallenen Energiecharta-Vertrag aussteigen. Am CETA-
Abkommen haben wir erhebliche Kritik. Wir wollen daher das CETA-Abkommen in
seiner derzeitigen Fassung nicht ratifizieren, sondern es bei der Anwendung der
derzeit geltenden Teile belassen.
Aktive Außenwirtschaftspolitik und fairer Wettbewerb
Damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer*innen gelten, muss
Europa reagieren können, wenn aus Drittländern mit unfairen Mitteln auf dem
europäischen Binnenmarkt agiert wird, sowie eine aktive Außenwirtschaftspolitik
betreiben. Dafür müssen Anti-Dumping- und Anti-Subventionsinstrumente
weiterentwickelt werden, um ein Level Playing Field auf globalen Märkten zu
erreichen. Die Anti-Dumping-Regeln müssen noch stärker als bisher auch bei
Dumping durch niedrige ökologische und soziale Standards anwendbar sein. Durch
eine Reform des EU-Beihilferechts können Wettbewerbsverzerrungen durch staatlich
geförderte Konzerne aus anderen Weltregionen verhindert werden. Die deutsche
Exportförderung
muss in Zukunft – anstelle von fossilen Anlagen und Kraftwerken – Hidden
Champions
unterstützen, die Hightech für bessere Umwelt- und Lebensbedingungen herstellen.
Mit der EU-Kommission setzen wir uns für einen Grenzausgleich von CO2-Kosten
ein, damit ambitionierter Klimaschutz nicht zum Wettbewerbsnachteil wird. Fairer
Wettbewerb braucht auch neue rechtliche Instrumente gegen den
wettbewerbsverzerrenden Charakter von Subventionen ausländischer Regierungen für
aufgekaufte europäische Unternehmen und deren Produktionen in Europa.
Fairer Handel für eine nachhaltige Entwicklung im globalen
Süden
Die Entwicklungschancen der Länder des globalen Südens sind stark davon
abhängig, wie fair die Handelspolitik gestaltet wird. Fairer Handel muss zum
Standard werden. Dieser muss sich am Pariser Klimaabkommen sowie an der Agenda
für nachhaltige Entwicklung orientieren. Es braucht im Sinne einer nachhaltigen
globalen Strukturpolitik dringend eine gerechte Handelspolitik mit den Ländern
des globalen Südens, die regionale Wertschöpfung, regionalen Handel und
Integration fördert und ihnen genügend Raum lässt, durch Zölle und Quoten ihre
Märkte zu schützen sowie durch Exportsteuern die Ausfuhr heimischer Rohstoffe zu
beschränken. So wird der Aufbau heimischer Industrien gefördert. Zölle für
Entwicklungsländer auf verarbeitete Produkte sollen gesenkt bzw. abgeschafft
werden.
Lieferkettengesetz europäisch umsetzen
Viel zu oft kaufen wir Dinge, deren Herstellung auf dem Raubbau an Mensch und
Natur basiert, obwohl wir das gar nicht wollen. Damit Unternehmen künftig
Umwelt- und Sozialstandards sowie Menschenrechte entlang der gesamten
internationalen Produktions- und Lieferkette durchsetzen, braucht es ein
verbindliches und wirksames Lieferkettengesetz auf nationaler wie europäischer
Ebene. Kern einer solchen Regelung stellt eine zivilrechtliche Haftung dar, auf
deren Grundlage Unternehmen im Schadensfall zur Verantwortung gezogen werden
können. Zugleich ermöglicht ein verbindlicher Rahmen gleiche
Wettbewerbsbedingungen am Markt und schafft Rechtssicherheit. Auf EU-Ebene
werden wir uns zudem für einen Importstopp für
Agrarprodukte einsetzen, die im Zusammenhang mit illegaler Entwaldung und
Menschenrechtsverletzungen wie Vertreibung stehen. Weltweit wird Wald,
insbesondere so wichtiger Tropen-, Ur- und Mangrovenwald, mit fortschreitender
Geschwindigkeit abgeholzt und abgebrannt – auch für den Anbau von Soja und
Palmöl oder zur Produktion von Leder, die in die EU importiert werden. Die EU-
Holzhandelsverordnung wollen wir stärken und Strategien zur Reduktion von Palmöl
und Soja in Deutschland voranbringen. Zur Kompensation gerodeter Wälder fördern
wir hier und weltweit Wiederbewaldung und Renaturierung ohne Monokulturen.
Wir machen die Finanzmärkte stabiler und
nachhaltiger
Grüne Finanzmärkte
Noch immer werden Milliarden in fossile Energien – und damit gegen unsere
Zukunft –
investiert. Wir werden durchsetzen, dass sich die öffentliche Hand vollständig
aus diesen Investitionen zurückzieht. Öffentlich-rechtliche Banken und
Pensionsfonds müssen eine Vorreiterrolle bei der grünen Finanzwende und dem
Divestment einnehmen. Klimarisiken sollen offengelegt und bei Banken und
Versicherungen mit Eigenkapital unterlegt werden sowie bei Ratings
berücksichtigt werden. Alle Anlagen, nicht nur grüne, müssen eine
Nachhaltigkeitsbewertung haben, die für alle Anleger*innen transparent ist.
Dabei sind neben den Klimazielen auch andere Umweltwirkungen, Menschenrechte,
Arbeitsnormen und Entwicklungsziele zu berücksichtigen. In der Anlageberatung
muss diese Bewertung einfließen. Für besonders nachhaltige Finanzprodukte wollen
wir ein EU-Label schaffen. So sorgen wir dafür, dass Kapital von schmutzigen in
grüne und nachhaltige Investitionen umgelenkt wird.
Saubere Bilanzen am deutschen Kapitalmarkt
Beim Bilanzskandal Wirecard sind die zuständigen Wirtschaftsprüfer*innen und die
staatliche Aufsicht an ihrer Aufgabe gescheitert. Erst nachdem ein neues
Unternehmen auf die Bilanzen blickte, wurde ordentlich geprüft, während man die
Jahre davor immer wieder Bilanzen durchwinkte, um die eigenen Versäumnisse der
Vorjahre zu vertuschen. Wir wollen, dass Unternehmen in der Regel nach sechs
Jahren ihre Wirtschaftsprüfer*in wechseln müssen.
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dürfen nicht gleichzeitig Unternehmen beraten,
die sie prüfen. Wirtschaftsprüfer*innen sollen nicht vom Unternehmen selbst,
sondern von Unabhängigen ausgewählt werden. Die Aufdeckung von Bilanzbetrug muss
als Ziel gesetzlich verankert werden. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften müssen
wirksam staatlich beaufsichtigt
werden. Die persönliche Haftung von Entscheider*innen in Unternehmen muss bei
Rechtsverstößen tatsächlich wirksam werden. Auch Aufsichtsräte müssen gestärkt
und kompetent besetzt werden. Die Vergütung von Vorständen muss sich am
langfristigen Unternehmenserfolg statt am kurzfristigen Börsenkurs orientieren.
Eine Finanzaufsicht mit Zähnen
Wir brauchen eine Finanzaufsicht mit Zähnen, die Missstände aufzeigt, statt sie
zu
ermöglichen. Bei Wirecard hat auch die deutsche Finanzaufsicht (BaFin), wie so
häufig zuvor, kläglich versagt. Als Aufseher verbot die BaFin Leerverkäufe gegen
Wirecard und zeigte Journalist*innen an, die Unregelmäßigkeiten aufdeckten. Das
kam einem Persilschein für Wirecard gleich. Anleger*innen haben im Ergebnis
nicht nur ihr Geld, sondern zugleich auch das Vertrauen in den Finanzplatz
Deutschland und seine Aufsicht verloren. Für ehrliche Unternehmen wird die
Finanzierung so künftig schwieriger und teurer. Kultur und Selbstverständnis der
BaFin müssen sich deshalb komplett ändern. Es braucht eine Fehlerkultur
innerhalb der Aufsicht und eine Kultur der Skepsis und des Hinterfragens. Wir
wollen eine Finanzpolizei mit umfassenden Prüfungsrechten schaffen, die
Informationen mit allen zuständigen Behörden im In- und Ausland austauscht.
Das Bankgeschäft muss wieder langweilig werden
Auch über zehn Jahre nach der Finanzkrise geht von Banken noch immer eine Gefahr
für die Wirtschaft aus. Noch immer ist nicht ausgeschlossen, dass im Falle einer
Pleite die Steuerzahler*innen haften. Wir wollen deshalb zurück zum „Boring
Banking“. Banken sollen nicht spekulieren, sondern die Realwirtschaft
finanzieren. Statt der immer undurchsichtigeren Regulierungsflut wollen wir
einfache und harte Regeln. Die
Regulierungslücken bei Schattenbanken, Zahlungsdienstleistern und Fintechs
schließen wir, jedes Produkt und jeder Akteur muss reguliert sein. Wir werden
die Schuldenbremse (Leverage Ratio) für Banken verbindlich machen und
schrittweise erhöhen. Das riskante Investmentgeschäft muss vom Einlagen- und
Kreditgeschäft getrennt werden (Trennbankensystem). Es braucht eine starke
Fusionskontrolle und zu große Banken sollen entflochten werden. Für kleine
Banken, von denen kein Risiko für das Finanzsystem ausgeht, sollten hingegen
einfachere Regeln gelten. Spekulation und Kurzfristorientierung werden wir,
unter anderem durch eine europäische Finanztransaktionssteuer mit breiter
Bemessungsgrundlage, unattraktiv machen.
Schmutziges Geld einziehen
Unser Land ist derzeit ein Paradies für Geldwäsche. Wir werden mit einer
umfassenden
Strategie gegen Geldwäsche vorgehen. Bei allen Gesellschaften, Stiftungen und
sonstigen Konstrukten muss umfassende Transparenz über die wirtschaftlich
Berechtigten bestehen. Lücken und Umgehungsmöglichkeiten des
Transparenzregisters werden geschlossen. Die Finanzaufsicht muss in der
Geldwäschebekämpfung eine aktive Rolle spielen, statt Verdachtsmeldungen nur
weiterzureichen. Im Nichtfinanzsektor, gerade bei Immobilien, bleibt Geldwäsche
besonders oft unentdeckt. Wir werden bundesweite Mindeststandards für Prüfungen,
Ressourcen und Personal durchsetzen. Die Zuständigkeit für die Bekämpfung der
Geldwäsche soll vollständig auf den Bund übergehen. Illegale Gelder und
Vermögenswerte werden wir umfassend abschöpfen. Das Einfrieren von verdächtigen
Finanztransaktionen wollen wir erleichtern und die Dauer von
Transaktionsverboten verlängern, um die Strafverfolgung zu sichern.
Digitalen Euro einführen
Digitales Bezahlen gewinnt in unserem Alltag stetig an Bedeutung. Es ist bequem,
schnell und kontaktlos und soll noch sicherer werden. Wir wollen, dass die
Europäische Zentralbank (EZB) einen digitalen Euro schafft. Sie gewährleistet
dabei Daten- und Rechtssicherheit für Verbraucher*innen und Unternehmen. Sie
wirkt ungerechtfertigten Kosten durch Oligopole entgegen. Private Firmen können
auf dieser Grundlage Produkte und Apps aufbauen. Ein digitaler Euro löst
klassisches Bargeld nicht ab, sondern ergänzt es. Eine Aushöhlung des Geld- und
Währungsmonopols durch private Währungen lehnen wir strikt ab. Bei allen
digitalen Zahlungen und Kryptowährungen müssen die tatsächlichen wirtschaftlich
Berechtigten analog zu
Regelungen beim Bargeld ab einer gewissen Schwelle ermittelt werden. Zur
Bekämpfung von Verbrechen wie Geldwäsche, Darstellung sexualisierter Gewalt
gegen Kinder,
Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es auch für den Bereich des
digitalen Bezahlens klare Regeln.
Wir vollenden die Europäische Wirtschafts- und
Währungsunion
In Europas Zukunft investieren
Europas Gesellschaften und Unternehmen leben von einer starken öffentlichen
Infrastruktur. Daher ist es umso gefährlicher, dass in den letzten Jahren so
sehr auf Verschleiß gefahren und nicht investiert wurde. In wichtigen
Zukunftsfeldern wie der Digitalisierung oder der Batterieproduktion droht Europa
den Anschluss zu verlieren. Wir werden in der EU konsequent in Klimaschutz,
Digitalisierung, Forschung und Bildung investieren. Dafür weiten wir den EU-
Haushalt deutlich aus und statten ihn mit eigenen Einnahmen aus. Die EU soll die
Einnahmen des CO2-Grenzausgleichs erhalten. Auch die Besteuerung von Plastik und
Digitalkonzernen und
möglichst auch der Finanztransaktionen soll den EU-Haushalt stärken. Den neu
geschaffenen Wiederaufbaufonds verstetigen wir, integrieren ihn fest in den EU-
Haushalt, ermöglichen so eine demokratische Kontrolle und nutzen ihn auch
dauerhaft, um in wichtige Zukunftsbereiche zu investieren, etwa gemeinsame
europäische Energienetze oder ein Schnellbahnnetz. Wir wollen gemeinsam mit
unseren europäischen Partnern den Stabilitäts- und Wachstumspakt so reformieren,
dass ein zu hoher Spardruck verhindert wird und Zukunftsinvestitionen in allen
Mitgliedsländern weiter erhöht werden können.
Währungsunion vollenden, Europa krisensicher aufstellen
Es war ein Fehler, dass die Konservativen jahrzehntelang eine eigene
Fiskalpolitik Europas verhindert haben. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass die
EU ein Instrument für eine dauerhafte, eigene Fiskalpolitik erhält, dessen
Einsatz im Krisenfall nicht durch einzelne Länder blockiert werden kann, sondern
das den gemeinsamen europäischen Institutionen untersteht. Der Europäische
Stabilitätsmechanismus wird zu einem europäischen Währungsfonds
weiterentwickelt. In ihm erhalten die Länder eine nicht konditionierte
kurzfristige Kreditlinie. So wird Spekulation gegen einzelne Staaten schon im
Vorfeld abgewendet. Die Bankenunion wird durch eine gemeinsame Einlagensicherung
als Rückversicherung vollendet, damit ein Euro überall gleich viel wert ist. Wir
stehen zur Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und befürworten ein
breiteres Mandat, das ihr erlaubt, gleichberechtigt zur Preisstabilität auch
Wohlstandsmehrung und hohe Beschäftigung anzustreben. Durch eine gemeinsame
Fiskalpolitik entlasten wir die Zentralbank und sorgen dafür, dass sie künftige
Brände nicht wieder alleine löschen muss.
Euro zur Leitwährung machen
Wir wollen, dass sich der Euro zu einer glaubwürdigen, internationalen
Leitwährung
entwickelt, damit Europa seine Souveränität bewahrt und ausbaut. Langfristig
soll ein starker und stabiler Euro seinen Platz in einem kooperativen globalen
Weltwährungssystem finden. Der Euro ist ein wesentlicher Baustein einer
umfassenden Strategie, die europäische Werte auf der globalen Ebene stärkt und
durchsetzt. Wir werden sichere europäische Vermögenswerte schaffen, in denen die
Welt sparen kann. In Zukunftsmärkten wie Investitionen in Klimaschutz soll der
Euro das internationale Zahlungsmittel werden. Um die internationale Rolle des
Euro zu stärken, braucht es aber auch inner-europäische Solidarität: Wir wollen
Ungleichgewichte gemeinsam in Überschuss- und Defizitländern reduzieren sowie
wirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungen als Gemeinschaft treffen.
Wir haushalten solide, weitsichtig und gerecht
Bundeshaushalt wird zukunftstauglich
Wir wollen den Bundeshaushalt nachhaltiger und gerechter machen. Nachhaltiger
wird er, wenn wir die umweltschädlichen Subventionen endlich beenden. Immer noch
subventionieren die öffentlichen Haushalte des Landes mit über 50 Milliarden
Euro klimaschädliches Verhalten, zum Beispiel mit der Subvention für Diesel oder
schwere Dienstwagen. Wir werden diese Subventionen schrittweise abbauen und den
Bundeshaushalt klimagerecht machen. In einem ersten Schritt können wir so über
10 Milliarden Euro jährlich einnehmen und sie für die Finanzierung von
Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit einsetzen. Für die Ausgaben des Bundes
streben wir eine Klimaquote an, die schrittweise steigen soll. Zur Finanzierung
dieser nachhaltigen Ausgaben setzen wir auf grüne Anleihen. Mit Gender-Budgeting
erreichen wir eine konsequente Berücksichtigung und Einbeziehung von
Gleichstellungsaspekten bei
finanz- und haushaltspolitischen Entscheidungen. Das macht den Haushalt
gerechter.
Sorgsamer Umgang mit Steuergeld
In den vergangenen Jahren wurde im großen Umfang Geld im Bundeshaushalt
verschwendet. Die Pkw-Maut war ein Desaster mit Ansage. Das
Verteidigungsministerium hat Millionen in teure Beraterverträge versenkt.
Schlecht gemachte öffentlich-private Partnerschaften haben sich für die privaten
Unternehmen als lukrativ und für die Steuerzahler*innen als teuer erwiesen. Wir
werden sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler*innen umgehen. Wir werden künftig
Transparenz herstellen und ÖPP-Verträge veröffentlichen. Infrastruktur wird die
öffentliche Hand künftig wieder selbst finanzieren und kann so auf ÖPP-Verträge
verzichten. Im Straßenbau wollen wir ÖPP-Projekte gesetzlich ausschließen. Die
Kontrolle bei Bauvorhaben und großen öffentlichen Beschaffungen wird verbessert.
Schuldenbremse reformieren, Investitionsregel einführen
Deutschland verfügt auch nach der Corona-Krise über tragfähige Staatsfinanzen.
Die Zinsen sind historisch niedrig, das Vertrauen in deutsche Staatsanleihen ist
hoch. Wir haben aber ein Zukunftsproblem. Die Erde erhitzt sich, die Schulen
verfallen und Deutschland gehört beim schnellen Internet zu den Schlusslichtern
der EU. Wir investieren zu wenig in unser Land. Das sind Schulden, die nicht in
den Büchern stehen, aber unseren Wohlstand gefährden. Wir wollen die
Schuldenbremse im Grundgesetz zeitgemäß gestalten – um die so dringenden
Investitionen zu ermöglichen. Bei konsumtiven Ausgaben bleibt es bei den
derzeitigen strikten Regelungen; bei Investitionen, die neues öffentliches
Vermögen schaffen, erlauben wir eine begrenzte Kreditaufnahme. So schaffen wir
öffentliches Vermögen, das uns allen gehört, denn die Rendite öffentlicher
Investitionen ist hoch, während der Bund keine Zinsen
für seine Kredite bezahlt. Das schafft ein hohes und nachhaltiges
Wirtschaftswachstum, das sicherstellt, dass unsere Schulden im Verhältnis zur
Wirtschaftskraft weiter abnehmen. Die kluge Unternehmerin spart nicht, sie
investiert. Der kluge Staat tut es ihr gleich.
Mehr Steuergerechtigkeit schaffen
Steuern sind die Grundlage für die Finanzierung unseres Gemeinwesens. Angesichts
der Corona-Krise wird die öffentliche Haushaltslage in den kommenden Jahren sehr
angespannt sein. Daher müssen alle Veränderungen im Steuerrecht mindestens
aufkommensneutral sein. Ziel ist, dass alle einen fairen Beitrag leisten. Heute
aber tragen die obersten 10 Prozent der Einkommen über Steuern und Abgaben
relativ weniger bei als die mittleren Einkommen. Das ändern wir, indem wir den
Grundfreibetrag der Einkommensteuer erhöhen, um kleine und mittlere Einkommen
zu entlasten. Im Gegenzug wollen wir den Spitzensteuersatz moderat anheben. Ab
einem
Einkommen von 100.000 Euro für Alleinstehende und 200.000 Euro für Paare wird
eine neue Stufe mit einem Steuersatz von 45 Prozent eingeführt. Ab einem
Einkommen von 250.000 bzw. 500.000 Euro folgt eine weitere Stufe mit einem
Spitzensteuersatz von 48 Prozent. Zusätzlich werden hohe Managergehälter
oberhalb von 500.000 Euro nicht mehr zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen.
Die Abgeltungsteuer für Kapitalerträge schaffen wir ab und besteuern diese
Einkommen wieder progressiv. Damit zahlen diejenigen mit hohen Zinseinkommen und
Spekulationsgewinnen höhere Steuern, Aktienkleinanleger*innen werden entlastet.
Mit der immer stärker steigenden Ungleichheit finden wir uns nicht ab, sondern
wollen große Vermögen nach der Corona-Krise wieder besteuern. Dafür gibt es
verschiedene Instrumente. Die Einführung einer neuen Vermögensteuer für die
Länder ist unser bevorzugtes Instrument. Die Länder sollten die Einnahmen dieser
Steuer für die Finanzierung der wachsenden Bildungsaufgaben einsetzen. Die
Vermögensteuer sollte für Vermögen oberhalb von 2 Millionen Euro pro Person
gelten und jährlich 1 Prozent betragen. Begünstigungen für Betriebsvermögen
werden wir im verfassungsrechtlich erlaubten und wirtschaftlich gebotenen Umfang
einführen. Dabei streben wir Lösungen an, die zusätzliche Anreize für
Investitionen schaffen und die besondere Rolle und Verantwortung von
mittelständischen und Familienunternehmen berücksichtigen.
Konsequent gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung
vorgehen
Jedes Jahr verlieren die Steuerzahler*innen hohe Milliardenbeträge durch
Steuerhinterziehung und aggressive Steuervermeidung. Wir wollen mit einer
umfassenden Strategie dagegen vorgehen. Die europäische Anzeigepflicht für
Steuergestaltungen muss um eine Verpflichtung für rein nationale Gestaltungen
ergänzt werden. Zusätzlich zur bestehenden Steuerpflicht nach dem Wohnsitz wird
eine Steuerpflicht auch nach der Nationalität eingeführt, um rein steuerlich
motivierte Wohnsitzwechsel zu verhindern. Wir werden regelmäßig die Steuerlücke
schätzen lassen. Die Steuerverwaltung muss deutlich gestärkt werden. Um
Vollzugsdefizite bei der Bekämpfung von Steuervermeidung großer Konzerne und
reicher Bürger*innen zu beheben, schaffen wir eine Spezialeinheit auf
Bundesebene. Steuerhinterziehung ahnden wir härter, die Umgehung der
Grunderwerbsteuer mit Share-Deals muss endlich unterbunden werden. Cum-ex- und
Cum-cum-Geschäfte beenden wir, wo sie immer noch möglich sind.
Konzerne angemessen besteuern
Durch Buchungstricks verschieben große Konzerne ihre Gewinne in Steuersümpfe. So
fehlen Milliarden für unsere Infrastruktur, und die Firmen verschaffen sich
unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Unternehmen. Wir wollen dafür
sorgen, dass Konzerne ihre Gewinne, Umsätze und Steuerzahlungen nach Ländern
umfänglich öffentlich machen müssen, und setzen uns für eine ambitionierte
Ausgestaltung eines solchen Country-by-Country-Reportings auf europäischer Ebene
ein. In Europa führen wir eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die
Unternehmenssteuern und einen Mindeststeuersatz von mittelfristig 25 Prozent
ohne Ausnahmen ein. Google, Facebook und Co. werden mit einer
Digitalkonzernsteuer endlich angemessen besteuert. Banken und
Steuerberater*innen verbieten wir, Geschäfte in Steuersümpfen zu tätigen oder
dorthin zu vermitteln. Wir setzen uns dafür ein, auch in Steuerfragen zu
Mehrheitsentscheidungen in der EU überzugehen. Soweit europäische Einigungen
nicht gelingen, gehen wir voran, in verstärkter Zusammenarbeit oder gemeinsam
mit einzelnen Staaten. National gehen wir gegen Gewinnverschiebungen mit einer
verschärften Zins- und Lizenzschranke und mit Quellensteuern vor.
Änderungsanträge
- Ä1 (Hannah Heller (KV Speyer), Eingereicht)
- Ä2 (Hannah Heller (KV Speyer), Zurückgezogen)
- Ä3 (Hannah Heller (KV Speyer), Eingereicht)
- Ä4 (Hannah Heller (KV Speyer), Zurückgezogen)
- Ä5 (Hannah Heller (KV Speyer), Zurückgezogen)
- Ä6 (Hannah Heller (KV Speyer), Zurückgezogen)
- Ä7 (Hannah Heller (KV Speyer), Zurückgezogen)
- Ä8 (Hannah Heller (KV Speyer), Zurückgezogen)
- Ä9 (Katrin Brunke (LAG Wirtschaft und Finanzen Rheinland-Pfalz), Eingereicht)
- Ä10 (Katrin Brunke (KV Mainz), Eingereicht)
- Ä11 (Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück), Zurückgezogen)
- Ä12 (Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück), Zurückgezogen)
- Ä13 (Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück), Eingereicht)
- Ä14 (Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück), Eingereicht)
- Ä15 (Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück), Zurückgezogen)
- Ä16 (Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück), Eingereicht)
- Ä17 (Lennart Kammann (LAG WiFi), Zurückgezogen)
- Ä18 (Lennart Kammann (LAG WiFi), Zurückgezogen)
- Ä19 (Lennart Kammann, Zurückgezogen)
- Ä20 (Lennart Kammann, Zurückgezogen)
- Ä21 (Lennart Kammann, Zurückgezogen)
- Ä22 (Lennart Kammann, Eingereicht)
- Ä23 (Lennart Kammann, Eingereicht)
- Ä24 (Lennart Kammann, Eingereicht)
- Ä25 (Lennart Kammann, Eingereicht)
- Ä26 (Katrin Brunke (KV Mainz), Eingereicht)
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